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Wo ist Gott?

Nutzer: Akascha
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geschrieben am: 06.07.2003    um 14:42 Uhr   
<i><center> >>als wir eines tages von der arbeit zurückkamen, sahen wir auf dem appellplatz drei galgen. antreten. ringsrum die ss mit drohenden maschinenpistolen, die übliche zeremonie. drei gefesselte todeskandidaten, darunter der kleine pipel, der engel mit den traurigen augen.
die ss schien besorgter, beunruhigter als gewöhnlich. ein kind vor tausenden von zuschauern zu hängen, war keine kleinigkeit. der lagerchef verlas das urteil. alle augen waren auf das kind gerichtet. es war aschfahl, aber fast ruhig und biss sich auf die lippen. der schatten des galgens bedeckte es ganz.
diesmal weigerte sich der lagerkapo, als henker zu dienen. drei ss-männer traten an seine stelle. die drei verurteilten stiegen zusammen auf ihre stühle.drei hälse wurden zu gleicher zeit in die schlingen eingeführt.
>es lebe die freiheit!< riefen die beiden erwachsenen. das kind schwieg.
>wo ist gott, wo ist er?< fragte jemand hinter mir.
auf ein zeichen des lagerchefs kippten die stühle um.
absolutes schweigen im ganzen lager, am horizont ging die sonne unter.
>mützen ab!< brüllte der lagerchef. seine stimme klang heiser. wir weinten.
>mützen auf!< dann begang der vorbeimarsch. die beiden erwachsenen lebten nicht mehr. ihre geschwollenen zungen hingen bläulich heraus. aber der dritte strick hing nicht reglos: der leichte knabe lebte noch...
mehr als eine halbe stunde hing er so und kämpfte zwischen leben und sterben seinen todeskampf. und wir mussten ihm ins gesicht sehen. er lebte noch als ich an ihm vorüberschritt. seine zunge war rot, seine augen noch nicht erloschen.
hinter mir hörte ich den selben mann fragen: >wo ist gott?<
und ich hörte eine stimme in mir antworten:
>wo er ist? dort - dort hängt er, am galgen...<
an diesen abend schmeckte die suppe nach leichnam.<<

(dieser text wurde von uns an der kranzniederlegung in auschwitz I stammlager verlesen)

greez...
aka

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